Bürgerbeteiligung wird digital: Rund 1000 Bürger*innen diskutieren Klimaschutzreformen mit Vertreter*innen des Bundestags
Unter dem Motto „Hallo Bundestag, wir müssen reden! Wie werden wir #EndlichFossilfrei?“ riefen drei gemeinnützige Organisationen den Tag der Klimademokratie ins Leben. Die Initiativen von Bürgerlobby Klimaschutz e.V., GermanZero e.V. und Together for Future e.V. engagieren sich seit Jahren für den Dialog und starten Mitmachprojekte für Engagierte in Gesellschaft und Politik, um gemeinsame Wege aus der Klimakrise zu finden. Für den 29. April nahmen 74 Abgeordnete aus fünf Fraktionen die Einladung an und beteiligten sich erstmals am größten digitalen Klimadialog.
In digitalen Videotelefonaten stellten sich die Bundestagsabgeordneten den Klimafragen von rund 1000 Bürger*innen. Neben persönlichen Sorgen um Wassermangel, Waldbrände und Wetterextreme registrierten die Moderator*innen bei vielen Teilnehmenden auch Unverständnis über den Dauerstreit der Regierungsparteien. Die Bürger*innen formulierten ihre Erwartung, dass die Abgeordneten sich parteiübergreifend auf ihre politische Verantwortung besinnen und die vielen Lösungen zum Klimaschutz, welche längst bereitstehen, auf den Weg bringen. Mit neuen Formen der Bürgerbeteiligung wie dem Tag der Klimademokratie entsteht die Chance die Distanz zwischen Bürger*innen und Politiker*innen abzubauen.
Auch das Projekt „klimafreundlich Pflegen – überall!“ sah diese Chance, mit Politiker*innen ins Gespräch zu kommen und einen Fokus auf die gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise zu legen. Hierbei stand insbesondere das Thema Hitzeschutz im Fokus, denn die hohen Temperaturen während der Hitzewellen in Deutschland treffen besonders ältere Menschen, Menschen mit Beeinträchtigung oder chronischer Erkrankung. So liegen gerade im Gesundheits- und Sozialwesen Handlungspotentiale Bevölkerungsschutz zu leisten und gesundheitliche Risiken abzufedern. Neben den vielfältigen Klimaschutzmaßnahmen, welche das Projekt für Einrichtungen der Behindertenhilfe und Altenpflege fokussiert, sieht „Klimafreundlich Pflegen – überall!“ auch die große Bedeutung funktionierender Anpassungsstrategien für die zu betreuenden Menschen. Nicht weniger relevant ist es zudem, den hitzebedingten Arbeitsschutz für Mitarbeitende im Sozial- und Gesundheitswesen zu gewährleisten und auszubauen.
Am Tag der Klimademokratie beteiligte sich Antonia Albrecht, Projektkoordinatorin von Klimafreundlich pflegen für die Region Mitte/Ost an Gesprächen mit zwei Abgeordneten aus Sachsen-Anhalt: Dr. Petra Sitte (Die Linke) und Dr. Franziska Kersten (SPD). Im Rahmen der Gespräche konnte das Projekt kurz vorgestellt werden. Als Vorreiter seiner Art, nimmt das Projekt die Ziele der Nachhaltigkeit im Sozialwesen ernst und stellt hierfür auch Erwartungen an die Politik. Eine perspektivische Ausweitung von Hitzeschutz in Pflegeeinrichtungen bedarf der Förderung von Anpassungsmaßnahmen im Bereich des Hitzeschutzes durch politische Weichenstellung, aber auch das Zusammenwirken der Akteure auf allen Ebenen für z. B. Hitzeschutzaktionspläne. Diesbezüglich stellte Antonia Albrecht die Frage, inwieweit die Planung einer Hitzeschutzstrategie im Bundestag thematisiert wird bzw. was die Bundesregierung tun kann, um Kommunen bei der Umsetzung von Hitzeschutzmaßnahmen zu unterstützen.
Frau Dr. Petra Sitte betonte, dass Sie persönlich einen sozial gerechten Klimaschutz vor Ort sehr wichtig finde. Auch sie sieht politischen Handlungsbedarf bezüglich Hitzeschutzkonzepten und möchte, dass Klimathemen bei Entscheidungen im Bundestag vermehrt mitgedacht werden. Sie begrüßt politischen Druck aus der Bevölkerung und hat kein Verständnis für Verzögerer von Klimaschutzmaßnahmen. Als „Lobbyistin des Forschungsministeriums“ unterstütze Sie gemeinsam mit anderen den klimathematischen Forschungssektor. Die Frage nach mehr Hitzeschutz nehme sie auch mit in den Gesundheitsausschuss des Bundestags. Als Anregung aus den Gesprächen nimmt Frau Dr. Sitte den Wunsch nach Beschleunigung für Programmförderung für Klimaschutzmanagement mit. Antonia Albrecht benannte hier die langen Bearbeitungszeiten von Förderanträgen. Auch Dr. Franziska Kersten von der SPD, (Wahlkreis Börde – Jerichower Land) spricht sich selbst deutlich für Klimaschutz aus. Sie betont ebenso, dass Hitzeschutz im Bundestag zu wenig thematisiert werde. Als Ansatzpunkt zur Beschleunigung von Förderanträgen halte sie eine Reduzierung der Antragstexte für sinnvoll. Im Videogespräch mit der Politikerin kam darüber hinaus die Thematik der Ernährungswende als effiziente Maßnahme zur Reduktion von Treibhausgasen auf. Hier schlägt Frau Dr. Kersten eine fleischarme Kost in Pflegeeinrichtungen vor und die klare Kennzeichnung des CO2– Fußabdrucks von Lebensmitteln. Vegetarische Gerichte können überzeugen, wenn sie in guter Qualität angeboten werden.
Bei einer digitalen Austauschrunde der Bürger*innen im Anschluss an die Gespräche mit Abgeordneten beklagten Teilnehmende unter anderem die fehlenden Sanktionen für die Ressorts wie z. B. Verkehr beim Versäumen von Klimaschutzmaßnahmen. Der erste Tag der Klimademokratie konnte in dieser Form der Begegnung als Erfolg wahrgenommen werden vielschichtigen Fragen in Bezug auf Klimaschutz und -anpassung Gehör zu verschaffen und gibt Hoffnung für mehr sozial-gerechten Klimaschutz.