Die Folgen der Klimakrise sind allenthalben spürbar. Zu wenig Aufmerksamkeit erfährt dabei, wer die Klimakrise verursacht und wer die eigentlichen Leidtragenden sind. Im Rahmen der diesjährigen Fairen Woche (15.09-29.09) mit dem Thema Klimagerechtigkeit, veröffentlichen wir einen Artikel von Steffen Lembke und Alexander Schmalfuß, der ursprünglich in der AWO Ansicht 3-2023 erschien.
Längst bekommen wir die Folgen der Klimakrise zu sehen und zu spüren: Hitzewellen mit Temperaturen weit jenseits der 40-Grad-Marke auch in Europa, Dürren und Waldbrände oder eine Zunahme von Extremwetterereignissen sowohl in Quantität als auch in Qualität bestimmen die Nachrichten in fast schon gewohnter Regelmäßigkeit. Viel zu wenig thematisiert wird hingegen die Ungerechtigkeit, die sich auftut, wenn man auf Leidtragende und Verursacher*innen dieser Klimakrise schaut. Die Armutskonferenz 2022 griff diesen Aspekt auf und beschrieb ihn als eine dreifache Ungerechtigkeit:
- Die Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen sind wohlhabende Bevölkerungsteile.
- Von Armut betroffene Menschen sind deutlich verletzlicher gegenüber den Folgen des Klimawandels als wohlhabende Menschen.
- Klimafreundliche Handlungsweisen, wie zum Beispiel der Kauf von Bio-Lebensmitteln, sind nicht für alle Menschen gleich zugänglich und finanzierbar.
Diese Analyse trifft sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene zu: Der die durchschnittliche Deutsche emittiert gemessen an seinem ihrem Konsum doppelt so viel wie der die durchschnittliche Weltenbürgerin. Gleichzeitig waren in Deutschland 2015 die reichsten 10 Prozent (8,3 Millionen Menschen) für mehr CO2-Ausstoß verantwortlich als die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung (41,3 Millionen Menschen). Von den Gesamt-Emissionen seit 1990, für die die deutsche Bevölkerung verantwortlich ist, gehen 26 Prozent auf das Konto der reichsten 10 Prozent; die gesamte ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung ist nur für wenig mehr verantwortlich.
»Klima-Apartheid«
Philip Alston, UN-Sonderberichterstatter für Armut und Menschenrechte, hat dafür den sehr deutlichen Begriff »Klima-Apartheid« in die öffentliche Debatte gebracht: »Wir steuern auf ein Klima-Apartheid-Szenario zu. Wohlhabende werden es sich leisten können, Überhitzung, Hunger und Konflikten zu entkommen, während der Rest der Welt leiden muss.« Der Begriff ist dabei nicht neu. Mehr als ein Jahrzehnt davor sprach der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu davon, dass wir in eine Ära der »Anpassungs-Apartheid« eintreten, in der reiche Länder ihre enormen finanziellen und technologischen Ressourcen nutzen können, um sich – zumindest kurzfristig – gegen die Klimaveränderung zu schützen. Die beschriebenen Zahlen und drastischen Warnungen machen uns deutlich, dass wir mit der weiterhin ungebremsten Klimakrise eine Entwicklung erleben, welche droht, unsere Gesellschaft weiter zu spalten und soziale Ungleichheiten massiv zu verstärken. Ein konsequenter Klimaschutz ist folglich immer auch ein Beitrag für eine sozial gerechtere Gesellschaft.
Reiche in die Pflicht nehmen
Nicht zuletzt aufgrund des Verursacher*innenprinzips müssen wir bei der Frage, wie uns der Umbau zu einer klimaneutralen Gesellschaft gelingt, wohlhabende und reiche Bevölkerungsteile stärker in die Pflicht nehmen. Für die AWO bedeutet dies, dass Klimaschutz im Sinne einer sozialökologischen Transformation gedacht werden muss, was auch die Scharfstellung steuerlicher Instrumente, wie der Erbschaftssteuer, der Vermögenssteuer oder der europäischen Finanztransaktionssteuer, voraussetzt. Ein weiteres drängendes Handlungsfeld sind umweltschädliche Subventionen, wie zum Beispiel das Dienstwagenprivileg, von denen überproportional wohlhabende Bevölkerungsteile profitieren. Solche Fehlanreize verstärken die beschriebenen Ungerechtigkeiten und müssen noch in dieser Legislaturperiode auf den Prüfstand. Klimaschädliches Verhalten und insbesondere Luxusemissionen dürfen nicht belohnt, sondern müssen stärker besteuert und nach Bedarf konsequent reguliert werden.
Die AWO setzt sich dafür ein, dass sich alle Menschen – auch in Zeiten schnelllebigen Wandels – auf einen starken Sozialstaat und hochwertige
soziale Dienstleistungen verlassen können. Grundlage hierfür ist, dass ein effektiver Klimaschutz nicht nur über Marktanreize, sondern auch über einen wirksamen Ordnungsrahmen durchgesetzt wird, der gezielt bei den Verursacher*innen ansetzt und soziale Ungleichheiten abbaut. Dabei erkennt die AWO natürlich auch ihre eigene Verantwortung für das Erreichen der Klimaziele an und hat 2022 nicht nur ein politisches Positionspapier zur sozialökologischen Transformation verabschiedet, sondern als erster Wohlfahrtsverband auch einen detaillierten Maßnahmenplan für den Klimaschutz in ihren über 18.000 Einrichtungen und Diensten auf den Weg gebracht.